Irak
Perspektiven zurückgeben
Situationsreport
Der Irak ist ein Land zwischen Krieg und Frieden, zwischen Aufbau und Zerstörung, zwischen Vielfalt und Leere. Auch Jahre nach dem offiziellen Ende des letzten Kriegs finden immer noch Machtkämpfe statt, Schwache werden diskriminiert und viele suchen nach dauerhaften Perspektiven und wirklichem Frieden. Gewalttätige Gruppen behindern der Wiederaufbau zerstörter Städte und Dörfer und schieben einem friedlichen Neben- und Miteinander einen Riegel vor.
Die kürzlich neu gebildete Regierung hat viele gute Schritte gemacht, muss jedoch versuchen, verschiedene Seiten zu befriedigen: Der Iran, die Türkei, die USA, die autonome Region Kurdistan sowie die Zentralregierung in Bagdad haben alle verschiedene Interessen und versuchen diese geltend zu machen. Die Regierung versucht ausserdem, die immer noch weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft zu bekämpfen.
Nach UNO-Zahlen leben weiterhin mehr als 1,1 Millionen Binnenvertriebene im Irak. Trotz abnehmender internationaler Unterstützung bleibt ihre Not hoch. Viele haben aufgrund der Sicherheits- und Wirtschaftslage weiterhin keine Hoffnung, ein eigenständiges Leben im Irak oder einen Neubeginn in ihrer alten Heimat zu wagen.
Minderheiten leiden weiterhin an ihrer Randstellung in der irakischen Gesellschaft. Sie werden in ihrer Region oft vernachlässigt, sodass sie verminderten Zugang zu öffentlichen Gütern wie Strom oder Wasser haben. So blieb der Irak leider im Jahr 2023 ein Land, indem sich Individuen und militante Gruppierungen stärker um ihren Machterhalt kümmerten, als dass der Not begegenet und am Wiederaufbau gearbeitet wurde. Viele Menschen, insbesondere Angehörige von Minderheiten, leiden deshalb weiterhin.
1. Überlebenshilfe für Binnenvertriebene
Aufgrund der weiterhin hohen Not vieler Binnenvertriebener und Zurückgelassener half Anugerah einheimischen Teams bei der Verteilung von Lebensmitteln. So wurden im gesamten Land in regelmässigen Abständen insgesamt mehr als 12 800 Lebensmittelpakete verteilt. Die Lebensmittelpakete setzten sich zusammen aus Grundnahrungsmitteln und bedeuteten für die Empfänger einen Grundstock an Versorgung. Neben der materiellen Hilfe waren die Lebensmittelpakete ein Zeichen für die Empfänger, dass sie inmitten ihrer Not nicht vergessen sind.
2. Traumabewältigung und medizinische Hilfe
Mit ihren bewährten Partnern konnte Anugerah auch in diesem Jahr wertvolle medizinische Hilfe für Binnenvertriebene und Angehörige von Minderheiten leisten. Dies geschah durch die von Anugerah finanzierte Mobile Clinic, die zu abgelegenen Bergdörfern von Minderheiten und zu Camps für Binnenvertriebene fuhr, um dort Sprechstunden anzubieten. Die Bewohner der Dörfer und Camps haben meist keinen anderen Zugang zu schneller und grundlegender medizinischer Hilfe. An drei Tagen die Woche konnten jeden Monat mehr als 500 Patienten versorgt werden.
Ebenso setzte Anugerah die Unterstützung des Traumacenters fort, das bereits im vergangenen Jahr gefördert wurde. Junge Frauen und Mädchen, die unter Trauma leiden, fanden hier einen Ort, wo ihnen geholfen wurde, mit ihren Erfahrungen umzugehen. Das Erlebte wurde aufgearbeitet und ihnen wurden lebensbejahende Werkzeuge in die Hand gegeben, die die Frauen im Alltag und bei Rückfällen ermutigen sollen. Darüber hinaus erhielten die Teilnehmerinnen nach eigener Wahl Einführungen in das Schneiderei- oder Friseurhandwerk. Dies half zum einen ihrem Selbstwert, zum anderen aber konnten sie mit den erlernten Fähigkeiten finanziell ihre Familien unterstützen. Der Grossteil der Teilnehmerinnen der Traumakurse kam aus der jesidischen Minderheit. Diese wurde vom IS besonders hart verfolgt: Viele der Frauen und Mädchen wurden verschleppt, verkauft, zwangsverheiratet und vergewaltigt. Ihre Traumalast ist riesig, doch dieser stellt sich das von Anugerah finanzierte Traumacenter mutig und zuversichtlich.
3. Bildungs- und Einkommensunterstützung
Wie oben beschrieben, erleben Angehörige von Minderheiten im Irak zum Teil in ihrer Region Vernachlässigung. Dies trifft zum Beispiel bei der Organisation von Schultransporten zu, wodurch die Bildungschancen und damit auch die Zukunftschancen von Kindern der entsprechenden Minderheiten vermindert werden. Anugerah führte in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Partner ein Projekt durch, sodass Schulkindern aus diesen Minderheiten der Schulbesuch doch ermöglicht wurde. Insgesamt konnten im vergangenen Schuljahr mehr als 600 Kinder und Jugendliche von diesem Transport profitieren.
Projektfazit
Im Rückblick auf sein Engagement im Jahr 2023 darf Anugerah ein positives Feedback ziehen. Viele bedürftige Menschen erhielten in ihrer Not Hilfe, und das in verschiedensten Bereichen: Schulbildung, Traumabewältigung, Mobile Clinic und Lebensmittelverteilungen. Trotz widriger Umstände und im Hoffen auf eine Besserung der gesamtpolitischen Lage im Nahen Osten ist Anugerah dankbar über die erzielten Ergebnisse. Als Abschluss gilt es, den Partnern im Irak, den lokalen Behörden und den Unterstützern und Unterstützerinnen für die gute Zusammenarbeit und ihre Treue zu danken.